Prof. Dr. Manfred Henningsen: 1989 und die Folgen

30-05-11

Liebe Clubmitglieder, sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Club von Berlin lädt Sie herzlich ein zu einem Vortrag und anschließender Diskussion mit

 

 

Prof. Dr. Manfred Henningsen

 

zum Thema

 

1989 und die Folgen -

Über Revolutionen, die keine dramatischen Ursachen haben, aber oft dramatisch enden

am Montag, dem 30. Mai 2011, 20.00 Uhr,

in den Clubräumen, Jägerstraße 1, Berlin-Mitte

 

Empfang ab 19.30 Uhr

 

 

Die gegenwärtigen revolutionären Ereignisse, welche die nordafrikanische Welt verändern, lassen sich nicht mit den Revolutionen in Amerika (1776/1789), Frankreich (1789), Russland (1917), China (1949) oder Cuba (1958) vergleichen. Es fehlen die dramatischen Zäsuren und die charismatischen Personen, die den Platz dieser Revolutionen in der Weltgeschichte markieren. Die nordafrikanischen Revolutionen erinnern vielmehr an Phänomene, die zum ersten Mal im April/Mai 1989 auf dem Tiananmen Platz in Beijing sichtbar wurden und dann zunächst mit der blutigen Niederschlagung am 4. Juni endeten. Auch wenn die DDR-Führung unter Egon Krenz für den 9. Oktober jenes Jahres in Leipzig eine ostdeutsche Wiederholung der chinesischen Gewalthandlung angesichts einer ange-kündigten Massendemonstration geplant hatte, blieb sie nach Rücksprache mit Moskau aus. Was folgte, war der innere Machtkollaps des Regimes, das wie die anderen staatssozialistischen Regime Osteuropas nicht länger die politökonomische Bankrotterklärung aufhalten konnte. Dieser innere Zerfall der osteuropäischen Gesellschaften, dessen langer Prozess im Westen nie gesehen wurde, verursachte schließlich auch den Fall der Berliner Mauer im November 1989.

Ähnlich wie in Ostdeutschland, Osteuropa und der Sowjetunion war Ursache die Unfähigkeit der autoritären nordafrikanischen Regime, ihre Bevölkerungen mit den entsprechenden Gütern und Diensten einer funktionierenden modernen Wirtschaftsgesellschaft zu versorgen. Die Repressions-gewalt des Polizeistaates verzögerte den Aufstand, konnte ihn aber nicht aufhalten, als er losbrach. Die Nachhutgefechte der Gewalt in Syrien und Libyen sind Gefechte, die den endgültigen Kollaps der Regime dieser Art nicht verhindern können. Was danach kommt, wird so problematisch sein, wie es noch heute in den meisten Ländern Osteuropas und in Russland ist. Es könnte jedoch sein, dass das bevölkerungsreichste islamische Land in der Welt, nämlich Indonesien, ein alternatives Modell bildet. Nach dem Ende des autoritären Suharto-Regimes 1998 hat sich in Indonesien ein demokratisches Verfassungsregime etabliert, das weder durch islamischen Extremismus noch durch Militärputsche bedroht wird. Ob die zivilgesellschaftlichen Aspekte der nordafrikanischen Gesellschaften stark genug sind, um sich gegen islamistische Tendenzen und militärische Gewaltanmaßung zu wehren, muss abgewartet werden.

Prof. Dr. Manfred Henningsen lehrt seit mehr als 40 Jahren politische Wissenschaft an der University of Hawai’i in Honolulu. Im Club von Berlin hat er 2002 über vergleichenden Völkermord und 2010 über Obama und den Mythos Amerika referiert.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Percy MacLean

Prof. Dr. Bernd Henningsen

Vorsitzer

Clubmitglied